Der Wind war mild, gelegentlich gab es Sonne. Schön, um im Donauried unterwegs zu sein.

Ich hörte plötzlich ein lautes „Honk“. Ich sah nichts. Dann wieder „Honk“, Pause, „Honk“. Es kam vom Boden in dem Grasland rechts vom Weg. Ich schaute genauer hin. Da saß weit hinten eine Krähe im Gras. Krähen machen nicht „Honk“. Ich nahm das Fernglas und schaute noch genauer. Da saßen nicht weit von der Krähe entfernt zwei rostbraune Vögel. Einer hatte seinen Hals weit vorgestreckt und die Flügel geöffnet. Er war klar in Drohmodus. Die Krähe saß ganz still. Und dann flogen die beiden rostbraunen Vögel weg. Die Krähe blieb sitzen. Ich ging weiter. Daheim fand ich dann heraus, dass ich zwei Rostgänse gesehen hatte. Bei uns nicht so oft zu sehen. Nach der Beschreibung sind sie aggressive Vögel, die versuchen andere Tiere aus ihrem Brutgebiet zu vertreiben. Oft mit Erfolg.

Krähen sind ja auch nicht gerade friedliche Vögel. Aber diese Krähe hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das machte mich nachdenklich. Ihre Ruhe hatte in diesem Fall gereicht, dass die Rostgänse wegflogen.

Schild Landwirtschaftlicher Verkehr frei

Foto: Michaela Wuggazer

Auch Menschen kämpfen manchmal um die besten Plätze.

Was kommt dir in den Sinn? Wo hast du erlebt, dass Menschen angriffslustig waren?

Im Naturschutzgebiet ist es auch nicht so einfach, wer bestimmt. Da sind Bauern, die Felder und Wiesen hier haben. Da sind Spaziergänger und Radfahrer. Da sind Menschen mit Hunden und welche, die sich an den vielen Vögeln freuen. Manchmal findest du Schilder, auf denen Regeln aufgeschrieben sind. Die meisten halten sich an diese Regeln, manche nicht. Und da ertappe ich mich dabei, wie ich Leute, die ihre Hunde nicht auf dem Weg halten, eher im Stil der Rostgänse auf die Regeln hinweise. Das ist nicht so toll. Denn dann bin ich aggressiv und sie sind es auch. Und die schöne, entspannende Wirkung des Spaziergangs ist weg.

In der Bibel hören wir heute eine lange Stelle aus dem Lukasevangelium (Kapitel 6, Verse 20 bis 31). Hier spricht Jesus zu vielen Menschen. Er fordert sie auf, ihr Leben mutig neu zu gestalten. Es sind ganz viele, radikale Hinweise. Jesus fordert uns heraus.

Und da findet sich auch ein Hinweis für mich:

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden!
Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden!
Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden!

Manchmal gelingt es mir. Da stelle ich mir vor, dass die Menschen, die hier ihre Hunde großzügig laufen lassen, vielleicht diesen Auslauf dringend brauchen. Dass sie hier Freiheit erleben, die ihnen hilft, zuhause, in der Schule, in der Arbeit Einschränkungen auszuhalten. Und ich übergebe sie in Gedanken der Großzügigkeit Gottes.

Ich merke, dass es mir guttut, wenn ich ruhig bleibe und auch innerlich loslassen kann.

Am besten hilft mir, wenn ich sehe, wie ich selbst die Großzügigkeit Gottes bei meinen Spaziergängen erleben kann.

Da ist die Weite der Landschaft. Ich stelle mich manchmal hin, breite die Arme aus, so weit ich kann. Dann atme ich tief durch. Es ist herrlich!  Diese Weite! Die Weite in meinem Körper, die Weite in meinem Atem. Und ich drehe mich und schaue mich um: so weit ist die Erde, so weit ist der Himmel. Herrlich. Das alles schenkst du mir, guter Gott.

Vielleicht magst du es auch ausprobieren? Manchmal warte ich, dass niemand mich sieht. Manchmal ist es mir egal, ob andere denken, dass ich seltsam bin. Das ist dann noch eine zusätzliche Freiheit: Nicht an das zu denken, was andere in mir sehen. Ganz frei bin ich dann in der Großzügigkeit Gottes.

Und dann hörte ich das Summen von Bienen. Und ich sah in einem großen Strauch viele Bienen eifrig am Werk. Die Pfützen waren teilweise noch gefroren, aber der Strauch war in der Sonne.

Könnte ich doch auch so sein, wie dieser Strauch: in der Sonne stehen und einfach hergeben, was ich gerade habe.

Zu dieser Großzügigkeit will Jesus alle auffordern.
Rechnet nicht nach, ob ihr auch etwas zurückbekommt.
Seid nicht nur großzügig zu denen, die ihr gernhabt.
Seid großzügig zu allen.
Seid großzügig selbst zu denen, die nicht gut sind zu euch.

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Seid großzügig, wie Gott großzügig ist mit uns Menschen, mit der Welt.

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 20. Februar 22 7. Sonntag

Text und Fotos: Michaela Wuggazer

Bienen am Haselnusspollen

Foto: Michaela Wuggazer