Das hast du vermutlich auch schon gesehen: da ist ein goldgelber Teppich auf einem alten Stück Holz, einem Zaun oder einem Pfosten oder auf der Rinde eines Baumes.

Flechten auf Holzstamm

Foto: Michaela Wuggazer

Es sind Flechten. In diesem Fall ist es die Gewöhnliche Gelbflechte. Ähnlich wie Moose stammen Flechten aus der Frühzeit des Lebens auf unserer Erde.

Sie können auch unglaublich alt werden. Aber nur, wenn die Bedingungen am Standort gut für sie sind. Sie wachsen höchstens einen Millimeter im Jahr. So merken wir gar nicht, wenn eine Flechte schon sehr alt ist. Sie gehören zu dem, was als erstes wächst auf Stein oder Holz. Sie sehen so unscheinbar aus, aber sie sind sehr geheimnisvoll.

Sie sind keine Pflanzen, sie sind keine Tiere. Sie sind eine Kombination aus zwei Lebewesen: einem Pilz und einer Grünalge oder einer Blaualge. Die zwei Lebewesen haben sich zusammengetan, weil sie gemeinsam besser überleben können. Der Pilz sorgt für die Verbindung zum Untergrund, für Feuchtigkeit und den Mineralientransport. Die Alge sorgt für die Photosynthese und gemeinsam können sie Wirkstoffe erzeugen, die sie alleine nicht erzeugen können. Sie bereiten Pflanzen den Boden vor und ernähren Tiere. Wir Menschen können sie als Anzeiger von Luft- und Bodenqualität nutzen, aber auch zu medizinischen Zwecken. Es ist erstaunlich, wie zwei Lebewesen sich so kraftvoll ergänzen können. Und dann geht diese Kraft noch über sie selbst hinaus und hilft anderen zum Leben. Wirklich erstaunlich. Meistens gehen wir an Flechten einfach vorbei. Sie sind so unscheinbar. Schau sie dir mal aus der Nähe an. In unserer Zeit schauen Wissenschaftler sie sehr genau an und wollen von ihnen lernen.

Ich musste an die Flechten denken als ich die Geschichte von diesem Sonntag gelesen habe. Sie steht im Matthäus-Evangelium in Kapitel 22, Verse 34 bis 40.
Ein Gesetzeslehrer stellt Jesus eine Frage:

Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen,
mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Jesus sagt, diese beiden sind die Grundlage von allem. Bestimmt hast du von diesem Doppelgebot schon gehört. Er fasst zwei Texte zusammen, die schon im Alten Testament stehen. Lese den Text laut, dann spürst du seine Kraft besser.
Liebe Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Manchmal denke ich, dass alle, die Fußball spielen, diesen Text gut verstehen können. Wenn es darum geht, ein Tor zu schießen, dann muss man mit Kopf und Herz, mit den Beinen, mit aller Kraft und allem Denken ganz auf Ball und Tor ausgerichtet sein. Und aufeinander! Du musst wissen, wann du den Ball abgeben musst, weil jemand anders die beste Position zum Tor hat. Du musst mitlaufen, auch wenn du den Ball nicht hast, damit du bereit bist, ihn im rechten Moment zu übernehmen. Und du darfst dich nicht ablenken lassen. Nicht von inneren Gedanken, nicht von deinem Körper, nicht von außen.
Ich glaube so ist es mit diesem Text. Konzentriere dich ganz auf die Liebe Gottes. Sei ganz und gar mit Gott verbunden! Und mit dir und denen, die um dich sind. Und diese Liebe zeigt sich dann auch. An einigen Stellen in der Bibel heißt es, dass man diese Liebe an den Früchten erkennen kann. Wo Menschen einander helfen, zeigt sich diese Liebe. Wo Menschen Streit beenden, zeigt sich diese Liebe. Wo Menschen bereit sind auf andere zuzugehen, die ihnen Böses getan haben, zeigt sich diese Liebe. Sie zeigt sich ganz unterschiedlich. Meistens merkst du es, weil sich dein Herz dann ganz leicht und warm anfühlt. Manche strahlen dann über das ganze Gesicht. Manche lachen. Manche werfen die Arme in die Luft oder umarmen einander. Manche lächeln dich einfach an.

Beeren und Früchte

Foto: Michaela Wuggazer

So wie in dieser Collage unterschiedliche Früchte zu sehen sind, so zeigt sich die Liebe zu Gott und den Menschen in aller Vielfalt. Manchmal ist sie sehr handfest, wie die Kastanie. Da trägt jemand jede Woche die schweren Getränkekisten für eine alte Frau oder mäht den Rasen oder ….

Oder sie ist leicht und spielerisch, wie der geflügelte Ahornsamen. Du singst ein Lied oder erfreust andere mit einem bunten Regenschirm oder …

Und manchmal leuchtet es aus stacheligem Gebüsch, wie Brombeere und Hagebutte. Da unterbricht jemand das Streiten und sagt was Liebes oder streckt jemand die Hand hin oder … Und manchmal ist es ganz unscheinbar, wie die winzigen Pilze. Da räumt jemand täglich das Geschirr für alle auf oder kocht oder putzt oder … Und warum ich die Marienfigur in der kleinen Kapelle auf dem Feld zu diesen Früchten getan habe, findest du heraus im Gebet „Gegrüßet seist du Maria“.

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 29. Oktober 23 30. Sonntag

Lektionar 2018 ff. © staeko.net
Text und Fotos: Michaela Wuggazer
Diözese Augsburg, Pastorale Grunddienste und Sakramentenpastoral, www.pastorale-grunddienste.de