Am letzten Sonntag ging ich wieder in den Teil im Donaumoos, wo nicht so viele Leute unterwegs sind.

Ich blieb oft stehen und schaute mit dem Fernglas nach allen Richtungen.

Und da sah ich sie: eine sehr große Gruppe von Rehen. Ich konnte 15 zählen. Sie waren alle am Fressen. Ich wollte gerne näher heran. Dann sah ich, dass schon drei Rehe aufmerksam den Kopf in meine Richtung gedreht hatten. Der Wind war mit mir. Sie hatten mich vermutlich schon bemerkt.

 

Wiese mit Gebüsch

Foto: Michaela Wuggazer

Ich blieb ganz still hinter dem Gebüsch stehen und beobachtete weiter. Rehe sind Fluchttiere. Wenn sie Gefahr vermuten, laufen sie sofort los. Ich kann ihnen nicht sagen, dass ich ihnen nichts tun will. Wenn ich weitergehe, werden sie alle aufhören zu fressen und weglaufen. Dann verbrauchen sie die Energie, die sie sich gerade anfressen. Wie gut, dass ich zuerst Ausschau gehalten habe und nicht gleich weitergelaufen bin. Jetzt konnte ich umdrehen bevor ich sie aufschreckte. Es war ein schönes Gefühl von Verbundenheit mit den Rehen als ich umdrehte und den Weg zurückging.

Manchmal entsteht Verbundenheit auch durch Abstand halten. Respekt vor den Bedürfnissen der anderen gehören zu einer guten Gemeinschaft dazu.

Es ist gar nicht so einfach hier die richtige Mischung zu finden.

Das kennst du sicher auch.

Manchmal ist es sehr anstrengend rücksichtsvoll zu sein. Dann geht es wieder sehr leicht.
Wenn ich in Ruhe lesen will und meine Schwester will Musik hören, dann geht das mit Kopfhörern gut. Schwieriger wird es, wenn ich mit ihr über etwas reden will und sie will gerade ihre Ruhe haben. Da ist es nicht so einfach.

Was fällt dir ein? Wie ist das in deiner Familie, mit deinen Freundinnen, mit den Nachbarn?
Wie bei mir und den Rehen hilft es auch bei den Menschen, wenn du dir Zeit nimmst.
Es hilft, innerlich stehen zu bleiben und mit einem inneren Fernglas die Umgebung in Ruhe anzuschauen. Siehst du, was deine Schwester gerade braucht? Siehst du, mit was dein Bruder gerade beschäftigt ist?

In der heutigen Geschichte aus dem Lukasevangelium (Kapitel 15, Verse 11-32) hören wir von einem großzügigen Vater und zwei Söhnen, die ganz unterschiedlich sind. Einer möchte weg von Zuhause und etwas erleben. Da teilt der Vater alles auf, was er hat und gibt es seinen Söhnen. Der jüngere packt alles zusammen und geht in ein fremdes Land. Dort lässt er es so richtig krachen und verbraucht alles Geld. Bald hat er nichts mehr und in dem fremden Land ist eine Hungersnot. Es geht ihm so schlecht, dass er nachdenklich wird.
Es fallen ihm die Lohnarbeiter seines Vaters ein. Ihnen geht es besser als es ihm jetzt geht.

Und er sagt zu sich:
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen:
Vater, ich habe mich vom Himmel und von dir getrennt.
Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein;
mach mich zu einem deiner Arbeiter!
Und er macht sich auf den Weg und geht zu seinem Vater.
Der Vater sieht ihn schon von weitem kommen …

Der Vater sieht ihn schon von weitem kommen.
Das geht mir nach.
Ich glaube, der Vater hat die ganze Zeit immer wieder Ausschau gehalten nach seinem Sohn. Es macht mich nachdenklich.
Nach wem halte ich Ausschau? Und was tu ich dann?
Bin ich so großzügig wie der Vater?

Weiher mit Enten

Foto: Michaela Wuggazer

Vielleicht probierst du einmal aus Ausschau zu halten.

Du kannst es von deinem Fenster aus machen. Du kannst es bei einem Spaziergang machen.

Bleib in Ruhe stehen oder setz dich hin. Schau in eine Richtung. Nimm dir zwei Minuten Zeit dafür. Du kannst ein Fernglas nehmen. Du kannst es auch ohne Fernglas machen. Schau genau hin. Was entdeckst du?

Dreh dich in alle vier Himmelsrichtungen. Nimm dir immer zwei Minuten Zeit. Du brauchst Geduld. Schau genau hin.

Was nimmst du wahr?

Geh in Ruhe ein Stück weiter und probiere es an einer anderen Stelle nochmal.

Du kannst es auch mit deinem Herzen machen.
Schau die Menschen in deiner Umgebung an.
Was machen sie? Was brauchen sie? Kannst du die Verbindung mit ihnen spüren?

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 27. März 22 4.Fastensonntag

Text und Fotos: Michaela Wuggazer