Es war sehr windig. Von einem Moment zum anderen wurde der Himmel von trüb grau zu strahlend blau.

Moor mit blauem Himmel

Foto: Michaela Wuggazer

Ich war im Moor unterwegs. Dort gibt es Wege, die irgendwann im Grasland enden. Dann muss man umkehren, um die Tiere nicht zu stören. Aber auch im eigenen Interesse. Im Moor gibt es immer wieder tiefe und weite Gräben, über die man dann nicht weiterkommt. Und es gibt auch Feuchtstellen, in denen man sich mehr als nasse Füße holen kann. Auf dem Rückweg begegnete mir eine Frau. Sie rief: „Geht der Weg hier nicht weiter? Haben Sie sich auch verlaufen?“ Ich sagte: „Ja, der Weg endet hier. Nein, ich habe mich nicht verlaufen. Ich weiß, dass man hier umkehren muss.“ Die Frau war schon stundenlang im Moor unterwegs. Sie klagte, dass sie nichts zu trinken oder essen mitgenommen hatte. Immer wieder sei sie auf Wegen gelandet, die dann einfach aufhörten. Etwas zu essen oder trinken hatte ich auch nicht dabei. Aber ich konnte ihr den Weg erklären. Oder ich konnte sie zu ihrem Auto fahren. Um mit ihr gemeinsam durch das Moor bis zu dem Parkplatz zu gehen, wo sie ihr Auto hatte, hätte meine Zeit nicht gereicht. Für den Weg braucht man mindestens 45 Minuten. Und die Frau war sehr müde. Sie wollte sich nicht fahren lassen. Aber meiner Wegbeschreibung wollte sie auch nicht folgen. Immer wieder sagte sie: „Aber ich kann doch gleich hier rechts abbiegen, dann komme ich doch zum Schurrsee.“ „Ja, aber zum falschen Ufer. Wenn Sie zu ihrem Auto wollen, müssen sie dem Weg folgen und dürfen nicht abbiegen.“ Als wir an meinem Auto angekommen waren, bot ich ihr noch einmal an, Sie hinzufahren. „Ich habe eine Maske dabei. Und ich habe gerade noch genug Zeit außen um das Moor herumzufahren.“ „Nein, ich will doch an der frischen Luft sein!“ Es kamen dann noch zwei Menschen, die in die richtige Richtung gingen. Die waren ihr zu langsam. Manchen Menschen kann man schlecht helfen. Ich hoffe, sie ist irgendwann heil bei ihrem Auto angekommen.

Als ich die Geschichte von diesem Sonntag las, musste ich an diese Frau denken.

Matthäus erzählt uns in seinem Evangelium im Kapitel 25, Verse 1-13 wie es mit dem Reich Gottes ist. Er erzählt von einem orientalischen Brauch. Bei einer Hochzeit gehen Frauen mit Lampen dem Bräutigam am Abend entgegen. Der Bräutigam kommt lange nicht. Die Frauen werden alle müde und schlafen ein. Mitten in der Nacht hören sie, dass der Bräutigam kommt.

Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen!
Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht.

Matthäus erzählt von zehn Frauen. Fünf von ihnen hatten noch extra Öl in Krügen mitgenommen, als Reserve. Die anderen fünf hatten nichts mitgenommen.
Sie wollten etwas abhaben. Aber dann hätte es für keine Lampe gereicht. Sie mussten sich frisches Öl holen. Die einen konnten den Bräutigam empfangen und mit ihm zum Fest gehen. Die anderen haben das Fest verpasst. Sie waren nicht richtig vorbereitet.
Beim nächsten Spaziergang wurde mir noch deutlicher, was Matthäus meint.
Manchmal muss man vorbereitet sein, für den richtigen Moment.

Der Wind war an diesem Tag noch stärker geworden. Ich ging über die Felder, wo keine Bäume sind. Der Wind wirbelte Blätter vom Waldrand wild durch die Luft. Manchmal waren es gar keine Blätter. Da waren es viele kleine Vögel mit gelbem Bauch, die plötzlich aus den Feldern mit Senf aufflogen. Und am Himmel waren Raubvögel mit spektakulären Flugmanövern zu sehen. Und dann sah ich plötzlich den Hauch von einem Regenbogen. Ich hoffe, du kannst ihn auch sehen auf meinem Foto. Ich freute mich und hoffte, dass es ein ganzer Bogen wird. Aber die Sonne verschwand und mit ihr auch das Regenbogenstückchen.

halber Regenbogen

Foto: Michaela Wuggazer

Ich blieb auf dem gleichen Weg. Manchmal beobachtete ich die Vögel oder die Blätter im Wind. Aber immer wieder schaute ich an die Stelle, an der das kleine Stückchen gewesen war. Zwischendrin regnete es sehr und der Himmel war ganz dunkel. Aber ich blieb draußen und auf diesem Weg. Und dann war er endlich da!

Der ganze Regenbogen! Ich blieb stehen und genoss es, den ganzen Bogen zu sehen. Er war nicht sehr kräftig. Deshalb musst du gut hinschauen auf dem Foto.

Aber es war ein ganzer Bogen. Es war ein schönes Gefühl. Der Regenbogen blieb einige Minuten sichtbar. Dann war er wieder weg. Ich bin froh, dass ich ihn nicht verpasst habe. Es gibt diese besonderen Momente.

Nur wer bereit ist, bekommt sie mit. Wer nur kurz hinschaut, kann sie verpassen. Das will Matthäus uns sagen: Schau genau hin. Habe Geduld! Sei bereit für das Reich Gottes. Vielleicht probierst du es aus, wenn du das nächste Mal warten musst – an einer Ampel, auf den Bus, in der Schlange, … sei aufmerksam, ob sich etwas von Gottes Reich zeigt.

ganzer Regenbogen

Foto: Michaela Wuggazer

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 12. November 23 32. Sonntag A

Lektionar 2018 ff. © staeko.net
Text und Fotos: Michaela Wuggazer
Diözese Augsburg, Pastorale Grunddienste und Sakramentenpastoral, www.pastorale-grunddienste.de