Diesmal ging ich zuerst am Waldrand entlang.
Das hatte ich schon lange nicht mehr gemacht.
Es war so viel zu sehen und zu hören und zu riechen. Irgendwie zu viel. Ich blieb stehen und schaute.
Der Wind bewegte Gras und Getreide so, dass es wie Wellen auf einem See aussah. Grüne und gelbe Wellen.
Nach kurzer Zeit wurde mir vom Hinsehen schwindlig. Seekrank am Getreidefeld.
Da schaute ich lieber auf den Rand des Feldes. Da sah ich die vielen Ackerwinden. Sie sehen hübsch aus mit ihren weißen oder rosa oder rosa-weiß-gestreiften Blüten. Und die Insekten lieben sie. Die Ackerwinde heißt so, weil sie sich an größeren Pflanzen hochwindet. Sie umschlingt die anderen Pflanzen und klettert an ihnen nach oben. So bekommt sie mehr Sonne und hat mehr Energie zum Wachsen. Das Problem ist, dass sie dann die anderen überwuchert. Manchmal gibt es Situationen, die etwas von der Ackerwinde haben. Da wollen Menschen so viel erreichen und umsetzen und ziehen dann auch andere mit hinein, ob sie das gleiche wollen oder nicht.
Kennst du das von dir? Da siehst du so viele Aufgaben und so viel, das zu tun ist, und bist völlig erledigt?
Kennst du das? Da hast du dich ruhig hingesetzt und dann kommt dein Freund oder Bruder oder Schwester und will, dass du hilfst mit dem, was sie für wichtig halten?
Die Geschichte, die heute von Jesus erzählt wird, handelt von so einer Situation.
Du findest sie im Lukasevangelium im Kapitel 10, Verse 38 bis 42.
Sie ist wieder eine Lerngeschichte für alle, die mit Jesus mitgehen.
Da sind zwei Schwestern: Marta und Maria.
Jesus kommt in ihr Dorf und Marta lädt ihn in ihr Haus ein.
Maria setzt sich zu Jesus und hört ihm zu. Jedes Wort ist ihr wichtig.
Marta zerreißt sich mit Bedienen.
Sie geht zu Jesus und sagt: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Jesus antwortet ihr: Marta, Marta,
du machst dir viele Sorgen und plagst dich so sehr.
Aber nur eines ist notwendig.
Maria hat den guten Teil gewählt. Der wird ihr nicht genommen werden.
Kennst du das? Du lädst jemand, der dir wichtig ist ein. Du willst einfach nur da sein für deinen Besuch? Du sitzt da und hörst zu? Ihr redet und lacht und manchmal wird es auch ernst – und du hast gar nicht an Essen und Trinken gedacht?
Und kennst du das? Du lädst jemand ein, der dir wichtig ist. Du willst alles recht machen, dass es ihm gut geht bei dir. Du springst herum und dir fällt ständig etwas ein, was dein Besuch noch brauchen könnte?
Auf meinem Weg kam ich am Wasserhochbehälter vorbei. Da gibt es seit meiner Kindheit eine Handpumpe für Trinkwasser. Jahrelang hat sie nicht mehr funktioniert. Jemand erzählte mir, dass sie jetzt wieder geht. Ich wollte es unbedingt ausprobieren. „Kräftig ziehen und schieben“ steht auf dem Schild. Und das stimmt. Ich musste mich richtig anstrengen. Und dann fließt nur kurz Wasser. Du kannst nicht beide Hände als Schale hinhalten. Du musst weiter pumpen. Man muss einen kleinen Becher dabeihaben, damit man wirklich Wasser zum Trinken bekommt. – Mühsam.
Ganz anders ist es beim Sulzhau-Brünnele. Da fließt das Wasser von ganz alleine. Im Sommer und im Winter. Wenn es lange nicht geregnet hat, fließt nur wenig. Aber immer kommt Wasser. Im großen Trog sammelt sich das Wasser. Aus ihm trinken die größeren Tiere. Für die Schmetterlinge fließt immer genug über. Menschen können ohne Mühe beide Hände darunter halten. Das Wasser füllt sie.
Ich saß eine ganze Weile da. Ich wurde still und froh mit dem Plätschern des Wassers und den vielen Schmetterlingen. Ich dachte darüber nach, was Jesus wohl meint, wenn er sagt: Nur EINES ist notwendig. Ich glaube das EINE ist „einfach da sein und aufmerksam sein“. Dann spüren wir vielleicht, dass Gott auch da ist, in jedem Moment unseres Lebens.
Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 17. Juli 22 16. Sonntag im Jahreskreis
Text und Fotos : Michaela Wuggazer