Wenn ich spazieren gehe, führt mich mein Weg manchmal über die Brücke einer Bundesstraße.

Manchmal stehen auch Kinder auf der Brücke und winken den Autofahrern zu. Und freuen sich, wenn die Autofahrer zurückwinken.

Die Menschen in den Autos sind unterwegs von hier nach da. Wo sie alle hin wollen?

Wenn ich darüber nachdenke, finde ich, dass unser ganzes Leben wie eine Reise ist. Von hier nach da. Wir wissen nicht im Voraus, wohin uns unser Leben einmal führen wird. Was einmal sein wird. Wo wir einmal leben werden.

Autobahn

Foto: Andrea Kaufmann-Fichtner

Ich denke auch an die vielen Menschen aus der Ukraine, die gerade auf der Flucht sind vor dem Krieg. Sie suchen nach Sicherheit, nach genug zu Essen, nach einem guten Platz für sich und ihre Kinder.

blühender Löwenzahn

Foto: Andrea Kaufmann-Fichtner

Noch vor einem Vierteljahr hätten sie nie gedacht, dass sie plötzlich ganz woanders leben würden, dass sie alles verlassen würden: ihr Haus, ihren Wohnort, ihre Freunde. Dass sie alles zurücklassen und sich ins Irgendwo aufmachen würden und hoffen, dass es dort für sie gut weitergehen wird.

Auf meinem Spazierweg sehe ich den Löwenzahn, der gerade in seiner gelben Pracht am Wegrand und auf den Wiesen leuchtet. Er erinnert mich an die Flüchtenden aus der Ukraine. Aber auch an unser eigenes Leben. Das schöne Gelb bleibt nicht immer gelb. Der Löwenzahn verändert sich. Und zwar völlig! So, als wären es zwei verschiedene Pflanzen.

Er wird zur Pusteblume. Die Lieblingsblume von vielen Kindern. Vielleicht auch von dir?

Stundenlang könnten wir die Pusteblumen auf den Wiesen pflücken und die kleinen Schirmchen in die Luft blasen. Sie fliegen davon und suchen sich einen neuen Platz. So wie die Flüchtenden aus der Ukraine. Sie sind im Moment auch so wie die Schirmchen der Pusteblume. Sie müssen von dort weg, wo sie einmal zu Hause waren. Und sie hoffen, dass sie einen guten neuen Platz für sich und ihre Lieben finden. Sie haben sich das nicht ausgesucht. Auch unser Leben verändert sich ständig.

Nicht alles haben wir Menschen selber in der Hand. Manchmal müssen wir uns dem Leben anvertrauen und uns führen lassen, weil das Leben eben anders ist, als wir es uns gewünscht oder geplant haben.

„Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“ (Joh 21,18-19)

Das sagt Jesus im Johannesevangelium des heutigen Sonntags. Er will damit sagen, dass es im Leben nicht immer nach unserem Kopf geht. Manchmal müssen, ja dürfen wir uns einfach anvertrauen. Und darauf vertrauen, dass Gott immer mit uns ist. Selbst, wenn uns Schlimmes widerfährt.

Jesus bereitet uns darauf vor, was das heißt „ihm Nachfolgen“ (Joh, 21,19).  Nämlich, sich der Führung Gottes vertrauensvoll überlassen, so wie sich die Pusteblume dem Wind überlässt.

Wenn du heute oder in den nächsten Tagen draußen bist und einen Löwenzahn oder sogar die Pusteblumen siehst und ihre Schirmchen kräftig in den Wind pustest, kannst du daran denken, dass du selber wie so ein Schirmchen bist. Du weißt noch nicht, wo es einmal hingeht. Du weißt nicht, was einmal kommen wird. Aber du darfst vertrauen, dass Gott immer mit dir sein wird. Egal, ob du hier oder da bist. Überlass dich Gott, wie ein Schirmchen im Wind.

Pusteblume

Foto: blickpixel ccO pixabay

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 01. Mai 22 3. Sonntag der Osterzeit

Text und Fotos: Andrea Kaufmann-Fichtner