Hast du schon mal von einem Sesel gehört?

Das heißt wirklich so und du darfst dich auch nicht draufsetzen wie auf einen Sessel. Neulich war ich mit Freunden beim Wandern. Dabei habe ich einige der Pflanzen bestimmt, die mir am Weg begegnet sind. Und was habe ich gesehen? Eine Pflanze, die Steppen-Sesel heißt.

Weitblick Ries Wegweiser Panoramaweg Ries

Ein wenig war ich überrascht, sie gerade bei uns zu finden. Denn ich war im Nördlinger Ries unterwegs und nicht in irgendeiner Steppe. Wobei: Es war an diesem Tag ziemlich heiß, über 30 Grad. So ähnlich könnte es auch in einer Steppe sein und deshalb stimmt wahrscheinlich meine Beobachtung.

Gefunden habe ich bei meiner Tour auch noch viele andere Pflanzen: zum Beispiel Arznei-Thymian, Gewöhnlichen Natternkopf, Kartäuser-Nelken und eine Wiesen-Flockenblume. Unterwegs war ich in einem Naturschutzgebiet. Trotzdem war ich total überrascht, wie viele verschiedene Arten ich gesehen habe. Ich hätte stundenlang weitermachen können, wäre es nicht zu heiß gewesen.

Wiesen-Flockenblume                                    Steppen-Seselkraut                                     Kartäuser-Nelke

Aber nochmal zu dem Steppen-Sesel: Mit solchen Pflanzen, ich gebe es gerne zu, kenne ich mich gar nicht so gut aus. Aber ich habe auf dem Handy eine ganz tolle App. Sie heißt „flora incognita“, was so viel bedeutet wie „unbekannte Pflanze“. Diese App kannst du dir kostenlos laden. Probiere sie doch einfach mal aus!

Du wirst bestimmt so überrascht und begeistert sein wie ich. Ob es übrigens wirklich Steppen-Sesel war, da war sich das Programm auf meinem Handy nicht ganz sicher. Vielleicht war es nur eine Gewöhnliche Schafgarbe? Ich hätte näher dran gehen sollen mit meiner Kamera. Aber wenn es dieses Kraut gewesen sein sollte, dann weiß ich jetzt dank der App: Steppen-Sesel ist in Deutschland zwar nicht gefährdet, aber dennoch selten.

Botaniker

Foto: Karl-Georg Michel

Habe ich also einen Schatz gefunden? Muss ich zu einem besonderen Wächter dieser Pflanze werden? Ganz sicher werde ich nochmal an diese Stelle gehen und versuchen, die Pflanze genauer zu bestimmen, wenn es nicht so heiß ist und das Licht nicht mehr so gleißend hell.

Dieser Gedanke, Wächter zu sein, kommt mir auch, wenn ich auf die heutige Lesung aus dem Buch Ezechiel schaue. Da ist die Rede vom Menschensohn, also von Jesus: „Ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben“ (Ez 33,7a).

Vielleicht kannst du es auch so deuten, zu einem Wächter der Schöpfung zu werden? Dafür musst du vor allem wissen, auf was du aufpasst und wie die Pflanzen und Tiere genau heißen. Nur so kannst du wie ein Wächter achtsam mit der Natur umgehen.

Im Brief an die Römer gibt es dazu heute einen sehr schönen Gedanken: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Röm 13,9b). Ich finde, auch die Natur, alle Geschöpfe sind meine Nächsten, die ich lieben und schätzen muss. Deshalb ist es ganz wichtig, behutsam mit allem umzugehen, selbst mit so kleinen Pflanzen und Kräutern, wie ich sie bei meinem Ausflug gesehen habe.

„Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Das sagt Jesus zu uns heute im Evangelium. Das könntest du ebenfalls auf die gesamte Schöpfung, auf alle Lebewesen beziehen: Jesus ist ja der Sohn Gottes und Gott hat alles erschaffen. Wenn wir also in der Natur unterwegs sind, dann ist Gott immer schon mitten unter uns.

Der Nächste, das können also nicht nur Menschen sein, sondern auch alle Geschöpfe rund um uns herum.
Ist das nicht ein wunderbarer Gedanke: Du bist in der Schönheit der Natur von Gott geborgen und umgeben. Willst du dir eine Stelle oder eine Pflanze suchen, auf die du wie ein Wächter aufpasst und die du besonders beschützen kannst?

Zum Download: ABENTEUER AM SONNTAG 10. September 23 23. Sonntag A

Lektionar 2018 ff. © staeko.net
Text: Dr. Karl-Georg Michel; Fotos: Dr. Karl-Georg Michel und Donata Demartin
Diözese Augsburg, Abteilung Kirche und Umwelt, www.pastorale-grunddienste.de